Goldfieber by Andreas Gößling

Goldfieber by Andreas Gößling

Autor:Andreas Gößling [Gößling, Andreas]
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783414822130
Herausgeber: Boje Verlag
veröffentlicht: 2012-01-02T00:00:00+00:00


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Mehr als zwei Monate sind seitdem vergangen und in dieser Zeitspanne vermochte ich unserem Herrn kaum etwas Erwähnenswertes zu berichten. Unweit der Totonaken-Siedlung Quiahuiztlan entsteht die Stadt Vera Cruz. Die Bucht, die Montejo und Morla bei ihrer Erkundungsfahrt gefunden haben, ist für die Errichtung einer festen Stadt wirklich ideal geeignet – aber um das zu erkennen, braucht mich Cortés gewiss nicht. Der natürliche Hafen bietet unserer kleinen Flotte Schutz, und er ist groß genug, um drei- oder sogar fünfmal so viele Schiffe aufzunehmen.

Unter der Anleitung von Jesus Mendoza, den anderen Zimmerern und Schiffshandwerkern errichten die Totonaken Hütte um Hütte und Holzhaus um Holzhaus. Schnurgerade verlaufende Straßen zerteilen die Stadt in regelmäßige Quadrate, ähnlich Schachfeldern. An den Längsseiten des Marktplatzes von Vera Cruz sollen die Kirche Unserer Lieben Frau und das Rathaus entstehen, das gleichzeitig als Magazin für Lebensmittelvorräte und Waren aller Art dienen wird. Noch ist von diesen beiden Gebäuden nicht sehr viel mehr als die Fundamente zu sehen, aber man erkennt bereits, dass dort einmal Bauwerke von beeindruckender Größe in den Himmel emporragen werden.

Diego und ich eilen von früh bis spät auf der weiträumigen Baustelle umher, richten Befehle und Botschaften von Cortés aus und überbringen ihm Antworten und Lageberichte. Unser Herr lässt keinen Tag vergehen, ohne Montejo und Morla lauthals zu rühmen, weil sie diesen herrlichen Fleck gefunden haben. Dennoch kommen mir die beiden Velazquez-Getreuen immer unzufriedener vor, je stattlicher sich unsere Stadt entwickelt. Sie haben diesen Ort zwar ausgewählt, aber nicht für Cortés, sondern für eine spätere Mission unter der Führung von Gouverneur Velazquez. Obwohl sie beide zu Ratsherren von Vera Cruz gewählt worden sind, haben sie sich noch immer nicht damit abgefunden, dass sich unsere Expedition während ihrer Abwesenheit in eine Stadt verwandelt hat. Sie lauern auf eine Gelegenheit, um das Ruder herumzureißen und doch noch unsere Rückkehr nach Kuba zu erzwingen. Ich kann ihre Unzufriedenheit unschwer von ihren Gesichtern ablesen, aber auch dafür braucht mich Cortés nicht.

Er wartet auf meinen Bericht über das Geheimnis, das Carlita tief in ihrem Herzen verschlossen hat. Doch seit jenem Tag, als Sturmbezwinger unserem Herrn das goldene Götzenbild überreichte, hat Carlita nie mehr über die Göttin Xochiquetal mit mir gesprochen. Wann immer ich sie danach frage, wechselt sie das Thema oder gibt vor, dass sie irgendetwas Dringendes erledigen müsse. Vor einer Woche fragte ich sie rundheraus: »Warst du früher eine Xochiquetal-Priesterin, Carlita? Und wurden deine Schwestern und Gefährtinnen deshalb durch einen Teufelszauber getötet: weil sie irgendwelche Zeremonien aus alten Zeiten wieder einführen wollten, als eure Göttin noch groß und mächtig war?«

Nie mehr werde ich vergessen, wie Carlita mich ansah, als ich sie das fragte. So schmerzlich, so verstört, so sehr von Entsetzen erfüllt, dass ich mir schwor, diesen Punkt von mir aus nicht mehr zu berühren. Obwohl ich natürlich spüre, dass Cortés’ Geduld zur Neige geht. Doch ihm bleibt gleichfalls nichts anderes übrig, als auf den Moment zu warten, an dem Carlita von sich aus ihr Schweigen bricht. Auch Fray Bartolomé hat sie sich bisher nicht anvertraut, so wenig wie Marina.



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